Gefördertes Forschungsprojekt 2021: Erblindung bei Kinderdemenz - präklinische Entwicklung einer Therapieoption
- 27. Okt. 2021
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Unter dem Begriff „Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen“ (NCL) wird eine Gruppe von fatalen neurodegenerativen lysosomalen Speichererkrankungen zusammengefasst, die vornehmlich im Kindesalter auftreten. Umgangssprachlich wird diese Erkrankung auch als Kinderdemenz bezeichnet. Es handelt sich um die häufigste neurodegenerative Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Ursache dieser Erkrankungen sind Fehlfunktionen der sogenannten Lysosomen, Zellorganellen, die für den Abbau von zellfremdem und zelleigenem Material verantwortlich sind. Als Folge dieser Fehlfunktion sammelt sich schädlicher „Müll“ in den Zellen an, und es kommt zu einem rasch fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn und in der Netzhaut. Aufgrund dieser Neurodegeneration im Gehirn verlieren die betroffenen Kinder zunehmend die Fähigkeit zu gehen, zu denken und zu sprechen. Der Verlust von Nervenzellen in der Netzhaut führt zu einem fortschreitenden Verlust der Sehkraft bis hin zur Erblindung.
Einige NCL Erkrankungen - wie z.B. die CLN1 oder CLN2 Erkrankung - werden durch Fehlfunktionen von lysosomalen Enzymen verursacht. Für diese NCL Formen stellt der Ersatz des defekten Enzyms durch eine funktionelle Variante des Enzyms einen vielversprechenden Therapieansatz dar. So wurde in einer kürzlich durchgeführten klinischen Studie gezeigt, dass das Fortschreiten der Erkrankung bei CLN2 Patienten durch das Einschleusen eines funktionalen Enzyms in das Gehirn deutlich verlangsamt werden konnte. Behandlungsmöglichkeiten für den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen in der Netzhaut und der daraus resultierenden Erblindung existieren gegenwärtig jedoch nicht. Ziel des Projektes ist es deshalb, in einem Mausmodell für die CLN1 Erkrankung zu untersuchen, ob die Degeneration der Netzhaut und der Verlust der Sehkraft durch eine Enzymersatzstrategie verlangsamt oder eventuell aufgehalten werden kann. Die CLN1 Erkrankung wird durch Mutationen in einem Gen verursacht, das für das lysosomale Enzym Palmitoyl-Protein Thioesterase 1 (PPT1) kodiert. Um die Netzhaut des CLN1 Mausmodells ausreichend und dauerhaft mit einer funktionalen Variante des PPT1 Enzyms zu versorgen, werden die Gliazellen (auch Stützzellen genannt) in der Netzhaut sowie die retinalen Pigmentepithelzellen über einen Adeno-assoziierten Virus (AAV) Vektor-vermittelten Gentransfer dazu gebracht, eine funktionale Variante des PPT1 Enzyms zu produzieren (in Abb.1 wurde dieser methodische Ansatz genutzt, um das grün fluoreszierende Reporterprotein „enhanced green fluorescent protein“ in diesen drei retinalen Zelltypen zu exprimieren). Ein Teil des exprimierten Enzyms wird von den Gliazellen in den extrazellulären Raum abgegeben. Von dort kann die funktionelle PPT1 Variante von den umliegenden Nervenzellen aufgenommen und zu den Lysosomen transportiert werden, wodurch im Idealfall die Fehlfunktion der Lysosomen korrigiert und damit die Ursache der Erkrankung behoben wird. Um das therapeutische Potenzial dieser Behandlungsstrategie abzuschätzen, wird untersucht, ob der fortschreitende Verlust von Nervenzellen in der Netzhaut durch diesen gentherapeutischen Ansatz verlangsamt oder eventuell sogar aufgehalten werden kann. Außerdem werden die Auswirkungen der Behandlung auf die Funktion der Netzhaut über Ableitungen von sogenannten Elektroretinogrammen analysiert.